Prof. Dr. med. Dietrich Tönnis

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Beugeosteotomien zur Einstellung noch rund erhaltener, dorsaler Hüftkopfanteile in die Belastungsfläche – Ein neues Verfahren bei Morbus Perthes

© Prof. Dr. med. Dietrich Tönnis, Dr. F. Tewes, Dr. A. Heinecke

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Einleitung


(Abb. 1a)

Die operative Behandlung des Morbus Legg-Calvé-Perthes ging in den letzten Jahrzehnten von dem "Containment-Prinzip" aus (Abb. 1a).

Nach einem Vorschlag von Socur u. De Racke 1952 (18) werden abgeflachte und subluxierende Hüftköpfe durch Varisierungsosteotomie in die Pfanne hineingedreht. Der Wiederaufbau des Hüftkopfes soll durch die sphärische Hüftpfanne wieder zur Kugelform führen.


Andere Autoren versuchten durch Verbesserung des Pfannendaches den Hüftkopf mehr zu umschließen und im Wachstum zu lenken. Es wurden Salter-Osteotomien, Chiari-Osteotomien, Azetabuloplastiken und Dreifachosteotomien (Abb. a und b) vorgenommen und auch mit Varisierungen kombiniert .


(Abb. a)


(Abb. b)


Von den Verfechtern der Varisierungsosteotomie wird selten berücksichtigt, dass auch die Pfanne von der Synovitis des Gelenkes beeinträchtigt wird und zum Teil schon vor der Operation abgeflacht ist, danach dann auch mit der Kopfdeformierung immer seichter wird (Bauer u. Jünger [1]), (Schulitz u. Dustmann [17]). Dies ist auch ein Grund für die schlechteren Ergebnisse bei späten Eingriffen (Dahmen [6]).

Die Ausdehnung des Nekrosebezirks von leichtem bis zu schwerem Befall geht von ventral nach dorsal vor sich. Das hat Catterall (3, 4) mit der Beschreibung seiner Gruppen von 1 bis 4 als Erster hervorgehoben, und Salter (16) hat die dazu gehörigen subchondralen Frakturlinien für eine frühe Prognose benutzt. In unserem Zusammenhang ist wichtig, dass bei den Graden 1-3 dorsal noch ein sphärischer Anteil der Epiphyse erhalten bleibt. Die Durchblutung der ventralen Kopfanteile durch die A. circumflexa femoris lateralis ist offensichtlich weniger gut, als die durch die A.circumflexa femoris medialis, die von medial bis lateral an der Rückseite des Hüftkopfes mehrere Äste abgibt.

Bei der Perthesschen Erkrankung sehen wir ventrale Nekrosen im orthograden seitlichen Röntgenbild. Sie lassen sich durch Beugeosteotomien aus der Belastungszone herausdrehen. Der gesunde dorsale Kopfanteil übernimmt dann die Traglast. Diese Operation hat sich bei Erwachsenen nach unserer Erfahrung bewährt. Wir kamen daher auf die Idee, bei der Perthesschen Erkrankung Gleiches vorzunehmen. Allerdings läßt sich hier nicht immer auf die Varisierungsosteotomie verzichten. Sie genügt aber in geringerem Ausmaß.

Mit dem Herausdrehen des abgeplatteten vorderen Kopfanteils nach ventral und dem Einstellen des erhaltenen dorsalen Kopfanteils in die Belastungsebene gewinnen wir sofort wieder eine sphärische Kopfoberfläche. Sie kann sich leichter wieder medialisieren, die Beweglichkeit ist freier. Hebelvorgänge bei Abduktion entfallen. Zusätzlich rotieren wir den Schenkelhals entgegen heutiger Praxis in vermehrte Antetorsion, bis die Innendrehung leicht überwiegt. Damit wird der Flexionswinkel im seitlichen Röntgenbild noch etwas erhöht. Es sollte berücksichtigt werden, dass eine verminderte Antetorsion häufig die Ursache späterer Arthrose ist (Tönnis u. Heinecke [23] ).

In dieser Veröffentlichung sollen unsere Ergebnisse vorgestellt und mit Varisierungsosteotomien alleinigen verglichen werden.

Methodik

Orthograde seitliche Röntgenaufnahme

Die seitliche Röntgenaufnahme des Hüftkopfes und Schenkelhalses wird heute fast immer nach Lauenstein vorgenommen. Mit ca.70° Beugung und ca. 50° Abspreizung entsteht dabei aber eine Schrägaufnahme. Dunn (7) und besonders Rippstein (15) entwickelten daher einen Stellungsapparat zum Röntgen (Abb. L1 a, b, c).

Bei kleinen Kindern werden beide Hüften in einer Aufnahme abgebildet (Abb. a). Bei Erwachsenen werden die verschiedenen axialen Stellungen getrennt aufgenommen (Abb. b), Die beine sind in Hüften und Kniegelenken exakt 90° gebeugt (Abb. c). Die Unterschenkel sind parallel zu den Seiten des Tisches gelagert, um einen Innen- und Außenrotation der Hüftgelenke und Oberschenkel zu vermeiden (Abb. c). Sie liegen parallel der Tischkante. Die Hüften sind 20° abduziert.

Imhäuser hat beschrieben, was er eine orthograde laterale Röntgenaufnahme nennt, die vertikal aufgenommen wird (Abb. a, b, c). Bei 130° Schenkelhalswinkel soll die Abspreizung 40° betragen, bei 140° Schenkelhalswinkel 50°. Dann liegt der Schenkelhals zum Röntgen flach auf dem Tisch und sein Antetorsionswinkel kann exakt gemessen und die hinteren Hüftkopfanteile genau beurteilt werden, was bei unserem operativen Vorgehen besonders wichtig ist.

Wir benutzen daher die von Imhäuser (10) eingeführte Technik (Abb. 2b, 3b, 3d, 4b, 5c, 6c, 7d) der orthograden axialen Aufnahme im senkrechten Strahlengang, bei der die Abspreizung „Schenkelhalswinkel minus 90°„ beträgt, so dass der Schenkelhals der Röntgenplatte exakt anliegt. Bei einem Schenkelhalswinkel von 130° müssen also 40° abgespreizt werden, bei 140° dann 50°.

Die Indikation zur Operation

Die Operationsindikation wurde gestellt, wenn es zu einer stärkeren Abflachung des Hüftkopfes mit Subluxation kam. Die anderen Risikozeichen wurden zusätzlich gewertet.

Operationstechnik

Die Beugeosteotomie wurde intertrochantär durchgeführt unter Bildwandlerkontrolle in 2 Ebenen. Für eine stärkere Umstellung werden 30-40° benötigt. Varisierungen wurden nur soweit als nötig und im Winkel so sparsam als möglich vorgenommen, da sie langfristig auch Kopf-im-Nacken-Lagen im Wachstumsaltler nach sich ziehen (Brüning et al. [2]), Tönnis et al. (21). In einigen Fällen waren Valgisierungen notwendig, häufiger Rotationsosteotomien zur Erhöhung der Antetorsion. Diese schien mehrfach niedrig. Auch Außenrotationskontrakturen kamen vor. Der distale Femur wurde soweit innenrotiert bis die Innenrotation die Außenrotation 15-20° überwog. Damit erhöhte sich im seitlichen Röntgenbild auch der Flexionswinkel. Wir sehen hier auch die hinteren Teile des Hütkopfes deutlich. Diese Maßnahme diente auch der Arthroseprophylaxe (Tönnis u. Heinecke [24]).

Die Fixation erfolgte bei Kleinkindern mit Kirschnerdrähten, bei etwas Älteren mit Winkelplatten. Die Abbildungen 1e, 2f, 3e, 4c, 5d und 7f zeigen uns das Endergebnis – einen rundlichen Hüftkopf congruent gut für die Belastung eingestellt Postoperativ wurde ein Beckengips für 6-8 Wochen bis zum Durchbau der Osteotomie angelegt.

Krankengut

Zur Auswertung kamen 42 Kinder, 28 Jungen und 14 Mädchen. Es wurden nur einseitig erkrankte und operierte Hüftgelenke in die Statistik aufgenommen, da verläßliche Messungen immer den Vergleich mit der gesunden Gegenseite verlangen. Es handelte sich um 22 rechts erkankte Gelenke und 20 links. Auf 3 Gelenke, bei denen zusätzliche Azetabuloplastiken vorgenommen wurden, verzichteten wir ebenfalls.

11 Kinder waren jünger als 6 Jahre, 20 waren 6-10 Jahre und 11 älter als 10. Da die Beugeosteotomie sich auch noch für die älteren Kinder empfiehlt, ist dieser Anteil höher als in anderen Statistiken. Die Beobachtungszeit reichte von etwas weniger als 1 Jahr bis zu 8 Jahren. Sie lag im Durchschnitt bei 3,1 Jahren.

Die verschiedenen Osteotomien verteilten sich wie folgt:

Flexion und Anterotation3 Gelenke
Flexion und Valgisierung 2 Gelenke
Flexion, Valgisierung, Anterotation4 Gelenke
Flexion und Varisierung14 Gelenke
Flexion, Varisierung, Anterotation19 Gelenke

Die Nekrosestadien vor der Operation waren in folgenden Prozentsätzen vorhanden:

Beginnende Auflockerung8 %
Fortgeschrittene Auflockerung 28 %
Beginnender Aufbau2 %
Fortgeschrittener Aufbau2 %


Die überwiegende Mehrheit wurde danach relativ spät operiert. Auch das entspricht den Möglichkeiten der Beugeosteotomie. Die Ergebnisse wären aber bei früherem Eingreifen sicherlich noch günstiger.

Eine einfache optische Einschätzung der Kopfform wurde in drei Graden vorgenommen:

Hüftkopf rund6
Hüftkopf mittelgradig abgeflacht21
Hüftkopf stark abgeflacht15

Auch diese Zahlen zeigen die fortgeschrittene Ausprägung der Erkrankung.

Die Schwere der Befunde geht auch aus der Verteilung der Catterall-Grade 3 und 4 hervor in den Tabellen des Mose-Wertes (12). Vorherrschend war die Gruppe mit mittelgradig abgeflachten Hüftköpfen, seltener wurde die geringer deformierte Gruppe 2 operiert. Doch bei den geringen Kopfresten der Gruppe 4 wurde die Beugeosteotomie 15 mal immerhin vorgenommen ausgehend von der Überlegung, dass der dorsale Kopfanteil sich wegen besserer Gefäßversorgung vielleicht besser wieder aufbaut.

Tabelle 5 zeigt uns auch die Altersverteilung der Catterall-Gruppen. Hier ist interessant, dass die Totalnekrosen von Gruppe 4 unter 6 Jahren prozentual am häufigsten waren. Zwischen 6 und 10 Jahren nahm ihre Zahl etwas ab und über 10 Jahren war nur noch ein Gelenk davon befallen. Demgegenüber nahm der Prozentsatz der Gruppe 3 zu.

Klinische Ergebnisse

Schmerz
90,7 % der Gelenke waren bei der Nachuntersuchung schmerzfrei, 9,3 % wiesen den Schmerzgrad 1 auf: Schmerz nur bei längerer oder starker Belastung.

Gehfähigkeit
85,0 % der Patienten konnten unbegrenzt gehen (Grad 1), 12,5 % äußerten Schmerz erst bei Gehstrecken von mehr als 1 Stunde (Grad 2), 2.,5 % hatten Schmerz schon bei Strecken bis zu einer Stunde (Grad 3). Grad 4 war nicht vorhanden.

Trendelenburg Zeichen
60 % der Patienten zeigten kein Absinken des Beckens beim Einbeinstand (Grad 0). 32 % zeigten Ermüdungshinken bei längerem Gehen oder angedeutete Standunsicherheit auf einem Bein (Grad 1). 5 % wiesen leichtes Absinken des Beckens auf (Grad 2) und 2,5 % starkes Absinken (Grad 3) (Tö). Bei der Beugeosteotomie und Varisierung, kommt es zunächst zu einem gewissen Trochanterhochstand, der sich wieder ausgleicht, wenn die Wachstumszone des Schenkelhalses nach der Perthesschen Erkrankung funktionsfähig bleibt. Bei einigen Kindern lag die Operation auch erst kurze Zeit zurück.

Bewegungsausmaß
Das Ausmaß der Beweglichkeit des Hüftgelenks nahm in allen Ebenen leicht zu. Es blieb keine Beugekontraktur zurück.. Durch die Rotationsosteotomie wurde das präoperative Ungleichgewicht von vermehrter Außenrotation (39,5°) und verringerter Innenrotation (24,4°) ausgeglichen: Innenrotation 38,5°, Außenrotation 36,3°. Auch die Abduktion war nicht eingeschränkt, da nur begrenzt varisiert wurde.

Bildmaterial
Überzeugender als das Zahlenmaterial sind wohl Bilder des Ablaufes. Dehalb möchten wir vor weiteren Statistiken zuerst den Ablauf im Bildmaterial hier einfügen.


(Abb. 1a)


(Abb. 1b)


Abb. 1a zeigt eine flache, seitlich eckige Hüftkopfform bei einem 10 jährigen Jungen, Abb. 1b in der orthograden seitlichen Aufnahme eine schwere Nekrose, die bis in die hinteren Kopfanteile reicht.



(Abb. 1c)


(Abb. 1d)


(Abb. 1e)

In Abb. 1c erkennt man in der Seitansicht an der Hüftwinkelplatte, wie stark der Schenkelhals bei der Osteotomie nach vorn flektiert wurde.

Das zeigt sich auch 4 Jahre später in Abb. 1d. Hier ist zu sehen, dass sich der hintere Hüftkopfantteil rundlich erhalten hat.

Die Ansicht von vorn zum gleichen Zeitpunkt (Abb. 1e) lässt ein in seiner Kongruenz normales Hüftgelenk erkennen. Es fehlt der Pfanne nur etwas an Anteversion.


In Abb. 2a handelt es sich um ein 11 jähriges Mädchen. Die mitgebrachte verdrehte seitliche Aufnahme des rechten Hüftgelenkes (Abb. 2b) ist wohl nach Lauenstein geröntgt worden. Soweit erkennbar ist wieder nur der hintere Kopfanteil erhalten.


(Abb. 2a)


(Abb. 2b)


Auch hier wurde der Schenkelhals nach vorn flektiert, aber auch varisiert (Abb. 2c). Eine gute orthograde Aufnahme wurde erst 6 Jahre später angefertigt (Abb. 2d). Die kräftige Ventralflexion des Schenkelhalses ist erkennbar und der hintere Rest der Hüftkopfgelenkfläche. Es dürfte sich um Grad 2-3 nach Catterall gehandelt haben.


(Abb. 2c)


(Abb. 2d)



(Abb. 2e)


(Abb. 2f)


Die folgenden Aufnahmen nach 3 Jahren (Abb. 2e) und 8 Jahren (Abb. 2f) zeigen eine gute Einstellung des Hüftkopfes in die Pfanne. Die Varisierung war hier angezeigt. Man erkennt sogar eine Wachstumszone unter dem Hüftkopf in Abb 2e.



(Abb. 3a)


(Abb. 3b)



(Abb. 3c)

In Abb. 3a und 3b fällt die Entscheidung über den Catterall-Grad schwer und wird erst in Abb. 3d
- 2,5 Monate nach der Operation - klar, da die Aufnahme exakt orthograd ist. Vorn ist das Gebiet von Grad 1 erhalten, dann gerät die Nekrose in Grad 2-3. Von 3 ist wohl dorsal noch etwas erhalten. Die Ventralflexion des Schenkelhalses ist beträchtlich. Dorsal besteht noch eine gute Belastungsfläche.


 


(Abb. 3d)


(Abb. 3e)


Das letzte Bild (Abb. 3e), rund 5 Jahre nach Operation, zeigt ein fast unauffälliges Hüftgelenk links.

 


(Abb. 4a)


(Abb. 4b)


(Fig. Abb. 4c)


Die Bilder von Abb 4a an stammen von einem knapp 8 Jahre alten Jungen. Das orthograde seitliche Bild (Abb. 4b) lässt noch etwas von der hinteren Kopffläche erkennen. Die Wachstumsfuge am Hüftkopf ist noch zu erkennen. Der Catterall-Grad 3 dürfte aber auch schon etwas einbezogen sein. Operationsbilder liegen nicht mehr vor. Das letzte Bild, (Abb. 4c) 23 Jahre nach Operation, lässt bis auf den kurzen Schenkelhals ein fast normales Hüftgelenk erkennen, vielleicht mit etwas verschmälertem Gelenkspalt.

 


(Abb. 5a)


(Abb. 5b)


bb. 5a stammt von einem 7 1/2 jährigen Jungen. Sie lässt im ersten Bild einen ungewöhnlich zerfurchten Hüftkopf erkennen, der aber noch eine runde Oberfläche aufweist. Nach der Erhöhung der Ventralneigung des Schenkelhalses (Abb. 5b) ist ein dunkles Feld zu erkennen, das sich vom Schenkelhals durch die Wachstumszone zur Epiphyse zieht. Der Schenkelhals bleibt kurz.


(Abb. 5c)


(Abb. 5d)


Nach den orthograd seitlichen Bildern (Abb. 5c) muss es sich den Catterall-Grad 2 bis etwas von 3 gehandelt haben. Das letzte Bild (Abb. 5d) lässt doch noch eine gute Hüftkopfbildung erkennen. Nur der Schenkelhals ist verkürzt. Aber die Epiphysenfuge erscheint wieder normal und kann aufholen.

 


(Abb. 6a)


(Abb. 6b)


Abb. 6a zeigt bei einem 5 1/2 jährigem Jungen - von vorn gesehen - die Zerstörung des ganzen Hüftkopfes, möchte man meinen. Abb 6b ist eine fast orthograde Aufnahme und zeigt auch den fast totalen Befall


(Abb. 6c)


(Abb. 6d)


Nach den postoperativen orthograden Seitaufnahmen (Abb. 6c) wird man von Catterall-Gruppe 3 bis fast schon 4 sprechen müssen. Nach der routinemäßigen Beugeosteotomie baut sich eine flache Kopfkappe wieder auf und ist nach zwei Jahren (Abb. 6d) gut in der Pfanne eingestellt. Die Wachstumszone erscheint erhalten.


(Abb. 7a)


(Abb. 7b)


(Abb. 7c)


Abb. 7a gehört zu einem rund 12 jährigen Jungen. In Mittelstellung ap erscheint der Hüftkopf abgeplattet und verdichtet. Bei dem seitlichen Bild (Abb. 7b) fragt man sich, ob der Hüftkopf vorn in Grad 1 bis 2 entkalkt ist.. Die Röntgenaufnahme postoperativ (Abb. 7c) zeigt den Hüftlopf relativ rund von seinem hinteren Kopfanteil her. Die zusätzliche Varisierung war notwendig. Die Wachstumszone ist in Abb. 7b noch gut zu erkennen.


(Abb. 7d)


(Abb. 7e)


(Abb. 7f)


Auf den späteren seitlichen Bildern 7d und 7e ist er ventral so abgeplattet, dass man auch an Catterall Grad 2 bis zum Beginn von 3 denken muss. Das letzte Bild (Abb. 7f) zeigt aber auch durch die zusätzliche Varisierung eine gute kongruente runde Kopfeinstellung in der Pfanne. Die Wachstumsfuge erscheint erhalten.


 

Beurteilung des Ergebnises nach Messwerten

Mosegrade
Zur Messung der Rundung des Hüftkopfes hat Moses (9, 10) Kreise im Abstand von 2 mm eingeführt.


(Abb. 8)

In Abb. 8 sind die Umrisse unrunder Hüftkopfoberflächen eingezeichnet.


Grades of Deviation for measuring to Mose
(Tab. 1)
1 + 2 mm Grade 1 (normal)
3 + 4 mm Grade 2
5 + 6 mm Grade 3
   > 6 mm Grade 4
Mose Grade ap pre Op (n) post Op (n)
(Tab. 2)
Grade 1 2 17
Grade 2 13 12
Grade 3 16 6
Grade 4 11 7
Mose Grade ap pre Op (%) post Op (%)
(Tab. 3)
Grade 1 4.8 40.5
Grade 2 30.9 28.5
Grade 3 38.1 14.3
Grade 4 26.2 16.7

Tab. 1 gibt den Normwert Grad 1 mit 2 mm an und Abweichungen in Graden bis 4. In Tab. 2 ist die Verteilung der Gelenke auf die Abweichungsgrade dargestellt. Das Maximum liegt präoperativ bei Grad 3, nach der Operation bei Grad 1, dann Grad 2. Die prozentuale Verteilung gibt Tab. 3 an. 69% der Kinder haben postoperativ eine Rundung von Grad 1 und 2.

Grades of Deviation of Mose in Catterall groups
Catterall
groups
Grades of Deviation pre Op (%) post Op (%)
(Tab. 4)
2 (n=6)
1
2
3
4
-
66.7
33.3
-
33.3
33.3
33.3
-
3 (n=21)
1
2
3
4

 9.5
38.1
28.6
23.8
52.4
28.6
 9.5
 9.5
4 (n=14)
1
2
3
4
-
 7.1
43.0
49.9

35.7
21.4
14.3
28.6
Grades of Mose ap in different groups of age
Catterall groups Grades of Deviation pre Op (%) post Op (%)
(Tab. 5)
< 6 years (n=11)
1
2
3
4
-
36.4
45.4
18.2
54.5
 9.1
27.3
 9.1
6 - < 10 years (n=20)
1
2
3
4
 5.0
30.0
30.0
35.0
40.0
25.0
10.0
25.0
> 10 years (n=11)
1
2
3
4
 9.1
27.3
45.5
18.2
27.3
54.5
 9.1
 9.1

Tab. 4 gibt die postperativen prozentualen Mosegrade in den Catterall-Gruppen 2, 3 und 4 an. Das Maximum wird bei Grad 3 von Caterall mit 81 % Mosegraden 1 und 2 erreicht, 66,6 % in Gruppe 2, aber immerhin auch 57,1 % in der schwersten Gruppe 4. Tab. 5 zeigt uns nun die Ergebnisse in verschiedenen Altersgruppen. Die Gruppe im Alter ab 10 Jahren erreicht Grad 1 und 2 nach Mose in 81,8 %, die 6-10 Jährigen in 65 % und die unter 6 Jährigen in 63,6 %. Das ist eine Überraschung für Kollegen, die nur Varisierungsoperationen durchführen. Schulitz und Dustmann (17) verzichteten auf Operationen im Alter über 10 Jahren.


(Abb. 9)

ACM angle
Acetabular depth
pre Op (%)
(n=41)
post Op (%)
(n=42)
(Tab. 6)
Grade 1
12.2
31.0
Grade 2
46.3
31.0
Grade 3
29.3
28.5
Grade 4
12.2
 9.5

Ein Winkel (Abb. 9), der bei C gemessen wird, gibt Auskunft über die Tiefe der Hüftpfanne (7). Die Neigung des Pfannendaches kann er nicht beurteilen. Er stellt uns aber gegenüber den Hüftpfannenquotienten ein Maß dar, das an der pathologischen Seite gemessen wird. Nach der Operation erreicht die Pfannentiefe in 62% die Grade 1 und 2 (Tab. 6).

Acetabular depth (ACM) in different groups of age
Age at Op. Grades of Deviation pre Op (%) post Op (%)
(Tab. 7)
< 6 years
(n=10/11)
1
2
3
4
10.0
30.0
40.0
20.0
27.3
45.4
27.3
-
6 - < 10 years (n=20/20)
1
2
3
4
15.0
45.0
30.0
10.0
15.0
25.0
40.0
20.0
> 10 years
(n=11/10)
1
2
3
4
 9.1
63.4
27.3
-
70.0
30.0
-
-

Auch bei diesem Messwert (Tab. 7) erreichen die Kinder im Alter über 10 Jahren in 100% die Abweichgrade 1 und 2, Grad 1, die Norm in 70 %. Es folgt wieder die jüngste Gruppe unter 6 Jahren mit 72,7 % und mit 40 % die Kinder zwischen 6 und 10 Jahren.


 

Ein weiterer Meßwert, der innerhalb der Pfanne gemessen wird, ist die Subluxationsbreite der Hüfte in Millimetern in Höhe der Epiphysenfuge (Abb. 10). Postoperativ erreichen 90,5 % der Kinder die Abweichgrade 1 und 2 (Tab. 8).


(Abb. 10)

Distance Head-Fossa Deviation Degrees (%)
Grades (mm) pre Op (%)
(n=42)
post Op (%)
(n=42)
(Tab. 8)
 0  - 10
40.5
71.4
11 + 12
33.3
19.1
> 12
26.2
 9.5

Ein außen an der Hüfte gemessener Verschiebungsgrad ist der Pfannen-Kopf-Quotient nach Heyman und Herndon (8) sowie Reimers (14) (Abb.11). Gute Werte liegen zwischen 100 % und 90 %, befriedigende zwischen 90 % und 70 %, schlechte unter 70 %. Die Abweichgrade 1 und 2 lagen hier bei 92,7 % der Kinder (Tab. 9).


(Abb. 11)

Grades of Deviation / Acetabulum-Head-Quotient (H.H.)
  pre Op (%)
(n=41)
post Op (%)
(n=41)
(Tab. 9)
Grade 1
26.8
41.5
Grade 2
63.4
51.2
Grade 3
 9.8
 7.3

Zuletzt sei noch der "Gesamtquotient" nach Heyman und Herndon (8) angefügt, der sich aus dem arithmetischen Mittel der Quotienten ergibt von Kopf-Hals-Quotient, Pfannenquotient, Epiphysenquotient und Pfannenkopfquotient ergibt (ihre Werte müssen durch 4 geteilt werden). Wir mussten nur den Kopf-Hals-Quotienten weglassen, da er durch die Flexionsosteotomie projektorisch verändert wird und wählten statt dessen den Gelenkflächenindex von J. Meyer (11).

Grades of Deviation measuring the
Heyman-Herndon Average Quotient
(Tab. 10 Normalwert und Abweichgrade)
Grade 1
100 - 80%
normal
Grade 2
< 80 - 70%
slightly pathological
Grade 2
< 70 - 60%
severely pathological
Grade 4
< 60%
extremely pathological

Aus Tab. 8 ersehen wir, dass 71% Grad 1 erreichten, 19.1% Grad 2 und nur 7.1% Grad 3 und 2.4% Grad 4.


Average Quotient (H.H.) in Catterall groups (%)
Group pre Op. post Op.
(Tab. 11)
2
83.1
92.4
3
80.0
86.1
4
72.0
77.7

Prüft man dann verschiedene Caterallgruppen (Tab. 11), ist man nochmals über die guten Werte auch für die Caterall-Gruppen 3 und 4 erfreut.


 

Diskussion und Folgerungen

Diese Messwerte, verbunden mit unseren Röntgenbildern im Verlauf, dürften den Beweis erbringen, dass die Beugeosteotomie des Schenkelhalses, verbunden mit Normalisierung der Antetorsion und teilweise auch Varisierungsosteotomien und Valgisierungen weitgehende Besserungen und Normalisierungen erbringen können, am meisten im Alter über 10 Jahren, dann bei Kindern unter 6 Jahren und am geringsten zwischen 6 und 10 Jahren

Neu ist die besondere Besserung im Alter über 10 Jahren. Sie wurde bisher nicht erreicht. Bekannt ist die geringe Besserung zwischen 6 und 10 Jahren. Sie wird allgemein auf ein geringeres Wachstum der Hüfte in diesen Jahren zurückgeführt. Das erklärt sich wohl daraus, dass die Knochenwachstumskerne am oberen Pfannenrand erst ab dem 8.-9. Lebensjahr auftreten und in den Folgejahren an dem pubertären Wachstumsschub des oberen Pfannenrandes wesentlich Teil haben.

 

Literatur

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  3. Catterall, A.: The natural history of Perthes disease. J. Bone Jt. Surg. (Br) (1971) 53: 37-53.
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  5. Crock, H.V.: An atlas of the aterial supply of the head and neck of the femur in man (1980), Clin. Orthop. 152: 17-27
  6. Dahmen, G., Hinzmann,J.: Röntgenologischer Verlauf der Perthesschen Erkrankung. Z. Orthop.122:692.699
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  9. Idelberger, K., A. Frank: Über eine neue Methode zur Bestimmung des Pfannendachwinkels bei Jugendlichen und Erwachsenen. Z.Orthop. 82 (1952) 571-577.
  10. Imhäuser, G.: Irrtümer in der Beurteilung kindlicher Hüftgelenke durch die konventionelle Röntgentechnik. Z. Orthop. (1982) 120: 93-99
  11. Meyer, J.: Treatment of Legg–Calvé-Perthes disease. Acta Orthop Scand (Suppl) (1964) 34:183
  12. Mose, K.: Legg-Calvé-Perthes disease, a comparison among three methods of conservative treatment. Universitetsforlaget, Aarhus, 1964.
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  15. Rippstein, J.: Zur Bestimmung der Anteversion des Schenkelhalses mittels zweier Röntgenaufnahmen. Z. Orthop. (1955) 86: 345-360
  16. Salter, R. B.: The scientific basis for innominate osteotomy in the treatment of Legg-Perthes disease. Clin. Orthop. (1973) 137: 2-14.
  17. Schulitz, K. P., H. O. Dustmann: Morbus Perthes, Spinger Verlag, Berlin, Heidelberg, New York, 1991
  18. Soeur, R., de Racker, C.: L'aspect anatomopathologique de l'ostéochondrite et les théories pathogéniques qui s'y rapportent. Acta Orthop. Belg. (1952),18: 57-102.
  19. Tönnis, D.: Die angeborene Hüftdysplasie und Hüfluxation im Kindes- und Erwachsenenalter. Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New York 1984.
  20. Tönnis,D.: Congenital Dysplasia and Dislocation of the Hip in Children and Adults, Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New York 1987.
  21. Tönnis, D. (Hrsg.): Die operative Behandlung der Hüftdysplasie. 2. Sammelstatistik des Arbeitskreises für Hüftdysplasie der DGOT. Bücherei des Orthopäden Bd. 44, Enke Verlag, Stuttgart 1985.
  22. Tönnis, D., Brüning, K., Heinecke, A.: Lateral Acetabular Osteotomy. Journal of Paediatric Orhopaedics Part B (1994) 3:40-46.
  23. Tönnis, D., Heinecke, A.: Verringerte Pfannenanteversion und Schenkelhalsantetorsion verursachen Schmerz und Arthrose. Teil 1: Statistik und klinische Folgen. Z.Orthop. (1999) 137:1153-159. Teil 2: Ätiologie, Diagnostik und Therapie. Z.Orthop. (1999) 137:160-167.
  24. Tönnis, D., Heinecke, A.: Current Concepts Review : Acetabular and Femoral Anteversion: Relationship with Osteoarthritis of the Hip. J. Bone Joint Surgery (Am), (1999) 81-A, NO 12.

 

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Beugeosteotomien zur Einstellung noch rund erhaltener, dorsaler Hüftkopfanteile in die Belastungsfläche – Ein neues Verfahren bei Morbus Perthes PDF (2,9 MB)

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