Prof. Dr. med. Dietrich Tönnis

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Unterschiede und Leistungsfähigkeit verschiedener Pfannendachplastiken bei Hüftdysplasie im Kindesalter

© Prof. Dr. med. Dietrich Tönnis

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Im Laufe der Jahre wurden zahlreiche Azetabuloplastiken für Hüftdysplasien im Kleinkindesalter angegeben. Eine Abgrenzung und Bewährungsprüfung ist einmal nötig.

Es begann mit den sog. Shelf Operationen, wo nur nach König der Pfannenrand herabgebogen wurde, (links) und nach Spitzy der Rand durch Knochenanlagerung verbreitert wurde (rechts).

Diese Maßnamen genügen uns heute nicht mehr.



Zwei Operationen osteotomieren das Becken oberhalb des Pfannendaches von vorn seitlich bis an das Foramen ischiadicum. Pemberton (rechts) führt die Osteotomie dicht oberhalb des Pfannendaches durch und endet etwas oberhalb des Endes der y-Fuge. Er biegt dann das Pfannendach nach vorn seitlich herab. Diese Operation vergleichen wir später mit der Pfannendach-osteotomie von seitlich.

Salter (linke Bilder) meißelt höher über dem Pfannendach ein und in das Foramen ischiadicum von vorn und schwenkt dann die obere Beckenhälfte mit dem Pfannendach um eine Achse nach vorn seitlich, die von der Symphyse zum hintersten Punkt der Osteotomie geht.

Damit wird das Pfannendach horizontal und außenrotiert gestellt. Wir wissen von den Dreifachosteotomien, dass mit der Rotation der Pfanne nach vorn die Anteversion verringert wird und mit der Außenrotation noch weiter. Wir haben in Veröffentlichungen 1999 gezeigt, dass damit eine veringerte AV der Pfanne entsteht und wenn noch eine verringerte Antetorsion des Schenkelhalses hinzu kommt, eine präarthrotische Deformierung entsteht durch das dann auftretende Impingement am Pfannenrand. Bei kleinen Kindern scheint sich diese Stellung im Laufe der Jahre noch zu korrigieren. Bei Älteren dürfte das nicht mehr der Fall sein. Dora et. al wiesen auch schon darauf hin.



Operationen, die in das Pfannendach von lateral ein begrenztes Stück einmeißelten und es dann herabbogen, wurden zuerst von Albee 1915 und Jones 1920 in den USA durchgeführt. Lance brachte die Technik 1925 dann auch nach Europa. Wiberg benutzte sie 1939 auch, ...



... brachte aber dann im amerikanischen J. of Bone and Joint Surgery, was Dega 1973 später eine transiliakale Osteotomie nannte. Es war eine durchgehende, nicht teilweise Osteotomie oberhalb des Pfannendaches.



Dega startete bei offenen Einstellungen hoher Luxationen nach Colonna mit einer runden örtlichen Osteotomie um die Pfanne herum hoch an der Beckenschaufel, 1964 auch am Pfannendach, 1973 dann auch transiliacal, betonte aber, dass man nicht bis zum Foramen ischiadicum gehen müsse.



Während meiner Ausbildung an der Westberliner Universitätsklinik Oskar-Helene-Heim unter Prof. Witt starteten wir 1960 schon mit diesen Bildern einer kompletten, geradlinigen, durchgehenden Pfannendachosteotomie.



Wir verfeinerten sie dann noch in meiner Klinik in Dortmund. Der Zugang erfolgt in der Leistenfalte, wo die Narben später kaum sichtbar sind und man - wie Sie im Bild sehen - nach Ablösung des M. tensor fasciae latae und des M.sartorius eine gute Sicht der Osteotomie vorn hat und am Foramen ischiadicum die Meißellage mit dem Finger kontrollieren kann.

Die Ablösung der Gluteusmuskulatur in einer Länge von 4-5 cm sollte auf dem Beckenkamm im Bereich des Knorpels erfolgen, so dass die Muskelfasern noch an einer Knorpelleiste hängen, mit der sie anschließend wieder angenäht werden .Die Muskelfasern selbst sollten nicht durchtrennt werden. Das Leistenband, die Abdominalmuskeln vorn und der iliacusmuskel vorn innen werden abgelöst, sodass man die Osteotomie vorn und innen kontrollieren kann. Die Gluteusmuskulatur wird dann subperiostal vorsichtig bis an den Kapselrand und den Ansatz des M. tensor fasciae latae abgeschoben. In diesem Knochenbereich liegen die Wachstumszonen, Knochenkerne, des seitlichen und oberen Pfannendaches, die bis zum Wachstumsende aktiv sind. Sie dürfen nicht beschädigt werden. Der Gluteusmuskel sollte von gerundeten Haken vorsichtig zurückgehalten werden. Durch seine obere Hälfte läuft der ihn inervierende Nerv. Eine Schädigung ruft Hüfthinken hervor, das auch wir anfangs erhöht sahen.



Das Pfannendach wird 6-8 mm über dem seitlichen Pfannenrand mit einem flachen Lexermeißel osteotomiert.

Der Op-Tisch ist durchleuchtbar, denn wir steuern das Meißeln unter dem Röntgenbildwandler.

Vorn geht der Meißel durch die Spina iliaca anterior inferior, dorsal in das Foramen ischiadicum. Hier tasten wir seine Lage.



Der Meißel Iiegt zuletzt 4-5 mm oberhalb der Y-Fuge und parallel zu ihr. Wenn wir das Pfannendach seitich mit einem breiteren und durchgehenden Meißel herabbiegen, bricht dieser letzte kleine Knochensteg ein. Hier liegt dann die Rotationsachse. Ein Winkel von 5-10° wird bei Kleinkindern angesteuert.



Der Knochenkeil, der eingesetzt wird, muss entsprechend hoch und seitlich auch fest sein. Als wir anfangs nach der Berliner Schule gleichzeitg varisierten wurde der Varisierungskeil eingesetzt. Dann erhielten wir enteiweißte Tierknochen durch die Firma Braun/Melsungen, die sehr gut einheilten wie hier sichtbar.



Seit das nicht mehr erlaubt ist, sägen wir uns Keile aus Hüftköpfen aus der Knochenbank. Auch das hat sich bewährt. In einzelnen Fälllen wurde ein Kirschnerdraht zur Fixierung von oben eingesetzt.
Anschließend wird ein Beckengipsverband in leichter Abspeizung nur und etwa 25° Beugung angelegt, um den Druck auf den Hüftkopf zu verringern.



Wenn gleichzeitig eine hohe Hüftluxation eingestellt werden sollte, war es ratsam, eine subtrochantäre Verkürzungsosteotomie vorzunehmen, um Hüftkopfnekrosen zu vermeiden. Eine kleine 4-Lochplatte ist leicht einzusetzen und genügt im Gipsverband.



Pemberton überdacht auch, allerdings von vorn. Das hat einen Nachteil. Man muss den Patienten drehen, wenn man durchleuchten will. Eine unter Bildwandler direkt gesteuerte Osteotomie ist deshalb nicht möglich.



Sie erwarten sicher auch Nachuntersuchungen. In einer frühen von 1988 wurden 90 Hüften von 67 Kindern untersucht (Brüning et al.). Die Ausgangsbefunde sehen Sie hier in Tab. 1. Sie wurden alle noch varisiert. Die klinischen Ergebnisse in Tab. 2 sind gut. Nur das Hüfthinken nach Trendelenburg kam noch häufiger vor, Grad 3 in 13,3%. Deshalb ging ich vorhin auf die Vorsichtsmaßnahmen ein. Das Krankengut bestand allerdings vielfach aus auswärts voroperierten Kindern und 29% der Kinder hatten vorausgehend Hüftkopfnekrosen nach Lorenz-Gipsverbänden.

(Tab. 1) Material of Follow-up
90 hip joints in 67 children
Age at operation: 3.6 years
Age at follow-up: 15 years
(Tab. 2) Clinical findings
No pain or only occasional 98%
No limitation of movement
Trendelenburg limp negativ 71%
Grade 1 15.5%
Grade 3 13.5%


(Tab. 3) Additional operations at acetabuloplasty
Acetabuloplasty and Varus osteotomy 64.4%
Acetabuloplasty and Varus osteotomy
after earlier open reduction
24.4%
Acetabuloplasty with concomitant open reduction 6.7%
Acetabuloplasty with concomitant open reduction and Varus osteotomy 2.2%
Acetabuloplasty alone or with shortening osteotomy 2.2%

Die Zahl der gleichzeitig vorgenommenen Maßnahmen, Luxationseinstellungen und Varisierungen war hoch. Das ist noch zu berücksichtigen.



(Tab. 4) Deviation degrees of AC angles
Age
(years/months)
Normal
value
Grade 1
(normal)
Grade 2
(slightly
pathological)
Grade 3
(severe
pathological)
Grade 4
(extremely
pathological)
0/3 + 0/4
25
< 30
≥ 30 - < 35
≥ 35 - < 40
≥ 40
0/5 - 2/0
20
< 25
≥ 25 - < 30
≥ 30 - < 35
≥ 35
2 - 3
18
< 23
≥ 23 - < 28
≥ 28 - < 33
≥ 33
3 - 7
15
< 20
≥ 20 - < 25
≥ 25 - < 30
≥ 30
7 - 14
10
< 15
≥ 15 - < 20
≥ 20 - < 25
≥ 25

Die Winkelergebnisse wurden nach unseren Normwerten und 3 Abweichgraden vorgenommen. Normalwerte und leichte Dysplasien kamen zwischen 62 und 93% vor.



Kritisch waren nur zwei Werte des Schenkelhalses bei den damaligen Varisierungen, die Witt und Mittelmeier forderten. Der Epiphysen - Index und der Kopf-Nacken- Index wiesen nur 50% Normalwerte und leichte Dysplasien auf (Tab. 5 und 6).

(Tab. 5) Acetabular Measurements after Acetabuloplasty
(Percentage of normal and slightly pathological Values)
Acetabular angle (Ullmann, Sharp) 93.2%
Acetabular angle (weight bearing zone) 62.0%
CE angle (Wiberg) 82.0%
Migration percentage (Reimers) 91.0%
Distance femoral head - teardrop figure 87.6%
(Tab. 6) Femoral Measurement after Acetabuloplasty
(Percentage of normal and slightly pathological Values)
Neck-shaft angle 86.7%
Antetorsion angle 74.5%
Epiphyseal index (Eyre - Brook) 50.0%
Head-neck index (Heyman - Herndon) 47.7%
Epiphyseal KE angle 76.5%


Diese Patienten zeigten später eine Kopf-im-Nacken Lage und Schenkelhalsverkürzung. Seitdem führen wir nur in Ausnahmefällen gleichzeitige Varisierungen durch.



(Tab. 7) Average Measurement after Acetabuloplasty (Bonmann)
Angle Before Op. At follow-up Valuation
AC angle 30° 9.6° normal
CE angle 5.3° 35.3° normal
Ullmann - Sharp angle 73 hips normal, 9 slightly pathological
Harris hip score 75 hips very good, 8 good
Patients' opinion 96.4% good and very good, one not

Eine spätere Nachuntersuchung wurde von Bonmann durchgeführt. Es handelte sich nur um Azetabuloplastiken ohne Varisierung und mit sterilisierten und tiefgefrorenen Knochenkeilen. Der Schenkelhals wies jetzt ein normales Wachstum auf. Wir sehen hier das Krankengut von 158 Kindern mit einem Follow-up von 8-10 Jahren. 91,2% konnten nachuntersucht werden.

Diese Tabelle zeigt die Durchschnitte der erreichten Winkel. Der Pfannendachwinkel wurde von 30° auf 9,6° verbessert, der CE- Winkel von 5,3° auf 35.3 °, also voll normalisiert. Der Harris hip score war sehr gut bei 75 Hüften und gut bei 8. Die Patienten stuften sich zu 96,4% als sehr zufrieden ein, nur einer nicht.



Werden Hüftdysplasien erst im Alter über 12 Jahren festgestellt, so bietet unsere Dreifachosteotomie zur Schwenkung der Hüftpfanne auf normale Winkelwerte die beste Möglichkeit zur Normalisierung.


 

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