Prof. Dr. med. Dietrich Tönnis

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Probleme, die bei der dreifachen Beckenosteotomie bei Hüftdysplasie zu beachten sind.

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Zusammenfassung

Hintergrund. Die dreifache Beckenosteotomie zur Behandlung der Hüftdysplasie hat sich im Laufe der Jahre bewährt, aber es wurden auch Faktoren erkannt, die negativen Einfluss haben, wenn man sie nicht kennt und berücksichtigt.

Probleme und Lösung. Die Korrektur des Pfannendaches muss durch eine Rotation stattfinden, nicht durch einen Zug zur Seite und nach vorn. Wenn bei der Überdachung nach vorn die Schanzsche Schraube, das hintere Pfannendach nicht hochdrückt, sondern es nur vorn herabzieht, kommt es zur Pseudarthrose der Beckenschaufel.

Die dritte Ebene des Hüftgelenks war bisher nicht voll berücksichtigt. Verringerte Anteversion der Pfanne und der Antetorsion des Femurs sind oft eine angeborene Deformität und führen zu Schmerz und Arthrose. Sie müssen zusätzlich angegangen werden, wenn sie vorhanden sind. Hinzu kommt: Mit der Rotation der Pfanne nach vorn verringern wir ihre Anteversion, Sie muss deshalb zusätzlich auf den Normwert von 15°-20° innenrotiert werden. Die Innenrotation des Hüftgelenkes muss frei sein.

Die als normal anzustrebenden Messwerte der Pfanne wurden von uns schon zuvor durch Korrelation mit der Schmerzfreiheit nach Dreifachosteotomie erstellt und sollten beachtet werden.

Ferner werden bei der Operation gefährdete Gefäß-Nerven-Bereiche erwähnt und Vorsichtsmaßnahmen beschrieben.

Schlüsselwörter

Dreifachosteotomie des Beckens - Problemlösungen

Minizusammenfassung

Dreifachosteotomien des Beckens bei Hüftdysplasie werfen noch manche Probleme auf, die nicht genügend bekannt sind. Bei der Rotation der Pfanne nach vorn muss der hintere Teil des Pfannendaches hoch und dann nach vorn rotiert werden. Sonst entstehen Pseudarthrosen. Die Rotation nach vorn verringert aber die Anteversion der Pfanne. Dies muss durch zusätzliche Innenrotation auf 15°- 20° AV beseitigt werden, sonst entstehen Schmerzen.

Einleitung

Die Dreifache Beckenosteotomie nach Tönnis und Kalchschmidt (28-31) ist von verschiedenen Operateuren im Laufe der Jahre übernommen worden. Positive Ergebnisse von Nachuntersuchungen wurden verschiedentlich veröffentlicht (5-7, 11, 13, 37). Es gab aber auch Berichte über Pseudarthrosen am Sitzbein und Schambein in einzelnen Fällen, die operativ angegangen werden mussten.

De Kleuver et al. (12) wies auf gefährdete Gefäße und Nerven im Glutealbereich und am Schambein hin, folgte allerdings nicht genau im einzelnen unseren Maßnahmen. Frick et al. berichteten zusätzlich über Außendrehstellungen der Beine und Innenrotationseinschränkung. Die Ursache ist hier in verringerter und negativer Anteversion der Pfanne zu suchen. Sie erklärt auch ihre Beobachtung von ungenügender posteriorer Überdachung des Hüftkopfes. Dora et al. wiesen schon im Titel ihrer Arbeit auf das Problem richtig hin: Retroversion des Acetabulums nach Salter und dreifacher Beckenosteotomie.

Im Laufe der Zeit sind wir ebenfalls auf neue Probleme wie das der verringerten Anteversion der Pfanne und Antetorsion des Femurs als Ursache von Schmerz und Arthrose gestoßen (33, 44) und ihre Auswirkungen auch im Rahmen dieser Operation und auf manches Andere. Deshalb erscheint es notwendig einmal gezielt auf diese Faktoren einzugehen, um Pseudarthrosen, Schmerzrezidive und Fortschreiten der Arthrose zu vermeiden.

Rotation der Pfanne. Wenn das Pfannenfragment von dem Lig. sacrospinale und sacrotuberale getrennt ist (Abb.1), kann es in der Regel beliebig rotiert werden durch eine von schräg vorn eingebrachte Schanzsche Schraube, oder auch zwei von ihnen. Ausnahmefall: Coxa vara und mangelnde Abspreizfähigkeit. Dann ist eine gleichzeitige Valgisierung des Schenkelhalses erforderlich. In seltenen Fällen sind auch mediale Kapseldiszisionen erforderlich.

Abb.1
Darstellung der drei Beckenosteotomien anfangs. Sie trennen das Pfannenfragment von den Bändern zum Kreuzbein und erlauben damit freie Rotation.


Die Pfanne muss dann richtig rotiert werden, sie darf nicht nur zur Seite und nach vorn gekippt werden (Abb.2-3).

Abb.2
Hüftdysplasie des Dezentrierungsgrades 2.


Abb.3
Für eine ausgiebige seitliche Pfannenrotation wird des seitliche Schambeinende nach der Osteotomie über das mediale Ende nach oben und dann nach medial geschoben. Damit wird das Hüftgelenk auch besser unterstellt


Für die ausgiebige seitliche Rotation drücken wir das nach der Osteotomie laterale Schambeinende hoch und schieben es über das mediale Ende zu mehr Unterstellung des Hüftgelenks. Das Periost versuchen wir zu erhalten. Für die Rotation der Pfanne nach vorn ist wichtig, dass die Spitze der Schanzschen Schraube dorsal hochgehoben wird. Auf diese Rotation kommt es an, wie die (Abb.4) und dann (Abb.5-6) zeigen.


Abb.4
Technik der Pfannenrotation nach vorn. Die Spitze der Schanzschen Schraube muss dorsal angehoben werden. Das Pfannenfragment bleibt damit in Kontakt mit der Fläche der Sitzbeinosteotomie. Nur so werden Pseudarthrosen vermieden.


Abb.5
Laterale, sog. Faux profil Aufnahme des Hüftgelenks vor der Rotation nach vorn.


Abb.6
Die Pfanne ist entsprechend Abb. 4 nach vorn gedreht worden und überdacht jetzt besser. Die knöcherne Überbauung am Sitzbein ist erkennbar.


Wenn nur eine Vorkippung der Pfanne am Unterrand durchgeführt wird wie in Abb. 7, dann kommt es wie hier zur Pseudarthrose. Das muss vermieden werden. Die Sitzbeinosteotomie sollte auch möglichst lang bis an den unteren Boden des Foramen obturatum reichen damit das Pfannenfragment auch bei stärkerer Ventralrotation den Knochenkontakt behält. Die Meißelrichtung von 20- 30° nach vorn, nicht mehr, zeigt (Abb.8) nochmals als Richtlinie. Bei mehr als 30° würde der Meißel in die Pfanne vordringen.

Abb.7
Hier wurde nur eine Kippung der Pfanne nach vorn, keine Rotation, vorgenommen. Das führt zur Pseudarthrose.


Abb.8
Die Sitzbeinosteotomie soll 20° bis 30° aus der Transversalen nach vorn gerichtet sein, keinesfalls mehr, und bis zum unteren Rand des foramen obturatum reichen.


Verringerte Anteversion der Pfanne und der Antetorsion des Femurs. Durch eine Auswertung von 350 Computertomographien bei Hüftbeschwerden (33,34) konnten wir 1999 zeigen, dass eine Verringerung dieser Messwerte, vor allem wenn beide gegen 0° gehen, zur Einschränkung der Innenrotation des Hüftgelenks (bei 45° Beugung) und Verstärkung der Außenrotation führen und zu ersten Schmerzen schon im Alter zwischen 20 und 30 Jahren und später zur Arthrose. Es handelt sich um eine congenitale Deformität. Wir fanden sie auch bei allen Patienten mit Epiphysiolyse, in 90% am Femur und 48% an der Pfanne, ebenso wie Gelberman et al. Bei Hüftdysplasien kam verringerte Femurantetorsion in 65% vor und verringerte Pfannenanteversion in 45%. Das ist bei der präoperativen Untersuchung zu berücksichtigen. Das Becken darf beim Röntgen nicht seitwärts gedreht sein, sonst erscheint die Pfannenanteversion, nach dem aufgehobenen Abstand von vorderem und hinterem Pfannenrand verringert oder aufgehoben (Abb.9), bei verstärkter Beckenkippung nach vorn ebenfalls (Abb.10), bei mehr Aufrichtung erhöht. Im Zweifelsfall ist ein CT durchzuführen (Tönnis, Skamel, 35).

Abb.9
Links Modell eines Beckens in etwa normaler Beckenkippung und ohne Seitdrehung. Man hat Einblick in die Pfanne, weil der vordere Pfannenrand mehr medial steht als der hintere. Rechts, bei nach rechts gedrehter Lage des Beckens während einer Röntgenaufnahme oder Außendrehung der Pfanne bei einer Operation kommt es zur Verringerung oder Aufhebung der Pfannenanteversion.


Abb.10
Bei stärkerer Beckenkippung entsprechend der Pfannenrotation nach vorn überschneiden sich die Pfannenränder. Dies entspricht aber nur einer Verringerung der Pfannenanteversion, nicht besserer Überdachung. Eine Innenrotation muss zusätzlich durchgeführt werden.


Verringerte Anteversion und Antetorsion sind auch die Ursache von Labrumschäden und Impingement in krassen Fällen. Wenn nicht ungewöhnliche Auftragungen am Hüftkopfrand durch unvollkommene Epiphysiolysen eine Abtragung verlangen (Ganz et al.), führt die Rotationsosteotomie am Femur auf erhöhte Antetorsion auch zur Beseitigung der Labrumbeschwerden.

Aus Sicherheitsgründen kann man einen kurzen, dünnen Kirschnerdraht senkrecht von vorn in das Pfannendach einsetzen, an dem unbeabsichtigte Rotationen festzustellen sind. Sie müssen vermieden werden.

Verringerung der Pfannenanteversion bei der Ventralrotation der Pfanne. Wir wunderten uns lange Zeit darüber, dass die Innenrotation des Hüftgelenkes nach der Dreifachosteotomie etwas eingeschränkt war und drehten dann die Pfanne auch etwas einwärts. Dann fanden wir die experimentellen Untersuchungen von Anda et al. (1) und Visser et al. (38), die zeigen konnten, dass die Pfannenanteversion mit Vorneigung der Pfanne herabgesetzt wird (Abb.10). In Abb.11 sieht man ein Röntgenbild, bei dem die Anteversion der oberen, lateralen Pfannenanteile schon angeboren vor der Operation retrovertiert sind.

Abb.11
Hüftdysplasie mit Os acetabuli im Alter von 26 Jahren. Verringerte Anteversion der Pfanne im seitlichen, oberen Abschnitt vor der Operation.


Nach der Operation sehen wir in (Abb.12) einen noch weit tiefer herabgetretenen vorderen Pfannenrand. Manche Operateure denken dann sie hätten den Hüftkopf vorn besser überdacht. Das ist ein Irrtum.

Abb.12
Nach Dreifachosteotomie ohne zusätzliche Innenrotation der Pfanne ist ihre Anteversion völlig aufgehoben.


Deswegen hat auch die prä- und postoperative Seitaufnahme des Hüftgelenkes nach Lequesne und de Seze (16) ihren Sinn. (Abb.13-14) vom selben Patienten zeigen, dass eine erhebliche vordere Dysplasie hier vorhanden war und nur begrenzt beseitigt werden konnte. Der tiefe obere Rand von medialen Pfannenanteilen täuscht hier. Erforderlich ist aus diesem Grunde unbedingt, dass wir nach der Seit- und Ventralrotation immer eine Innenrotation vornehmen in Relation zur Vorrotation.

Nach Vorfixation sollte die Innnenrotation des Hüftgelenkes bei 45° Beugung geprüft werden. Sie muss frei sein. Die normale Anteversion der Pfanne beträgt nach unseren Bestimmungen 15-20° (23,24).

Abb.13
In der faux-profil Aufnahme präoperativ steht der Unterrand des Hüftkopfes etwas höher als der Pfannenunterrand.


Abb.14
Postoperativ stehen sich die Ränder wieder genau gegenüber. Die Vorrotation war nur begrenzt möglich. Der tiefe vordere Pfannenrand der ap Aufnahme ist nicht durch eine Pfannenrotation nach vorn zu erklären.


Dezentrierungsgrade der Hüftdysplasie und Hüftluxation vor Operation. Zur Beurteilung des Vorgehens und des zu erwartenden Ergebnisses führten wir die in (Tab.1) angegebenen 4 Dezentrierungsgrade ein (Tönnis et al.31). Bei ausreichender Zentrierung sind natürlich die besten Ergebnisse zu erwarten. Ein in einer Sekundärpfanne stabil eingestellter Hüftkopf lässt sich zwar auch noch horizontal überdachen. Aber die Pfanne hat einen kleineren Sektor.

Ähnlich ist das bei hohen, durch Abduktion noch einstellbaren Hüftluxationen. Diese Gruppen sind in der Auswertung zu trennen.

Tab. 1 Grade der Dezentrierung vor der Operation [%]
Grad 1 Ausreichend zentriert
Grad 2Hüftkopf verschoben in verlängerter Pfanne
Grad 3Kopf in Sekundärpfanne stabil eingestellt
Grad 4Hohe Luxation, bei Abduktion einstellbar

Arthrosegrad. Ein weiterer zu bestimmender Vorbefund ist der Arthrosegrad (Tab.2). Die Ergebnisse werden davon auch langfristig mitbestimmt (Bloch, 32). Bei jüngeren und nicht zu schwergewichtigen Personen führen wir auch bei schon bestehender Arthrose Grad 1 und 2, noch Dreifachosteotomien zur Vermeidung früher Prothesen durch.

Tab. 2 Arthrosegrad
Grad 0 Keine Arthrosezeichen
Grad 1Vermehrte Sklerosierung von Kopf und Pfanne, geringe Gelenkspaltverschmälerung, mäßige Kopfentrundung;
Grad 2Kleine Zysten in Kopf oder Pfanne, starke Gelenkspaltverschmälerung, mäßige Kopfentrundung;
Grad 3Große Zysten in Kopf oder Pfanne, starke Gelenkspaltverschmälerung bis zur völligen Aufhebung, starke Kopfentrundung, Nekrosen.

Kongruenzgrade. Auch die Inkongruenz ist neben der Arthrose ein Faktor, den wir nur begrenzt beeinflussen können. Durch das Anlegen von Kreisen im Millimeterabstand nach Mose (19) haben wir eine Graduierung. 2 mm entsprechen Grad 1, 4 mm Grad 2 usw. Die Grenze liegt dort, wo der Hüftkopf dem gestaffelten Kreise exakt anliegt.

Messwerte der Hüftpfanne für Operation und Ergebnisbeurteilung. Wenn die Schmerzbefreiung das Ziel unserer Operation ist, so müssen wir Messwerte anstreben, die nach der Operation den geringsten Prozentsatz an Schmerzen haben. Das erreichten wir 1994 (31) durch unsere Untersuchung von 216 Hüftgelenken 5-16 Jahre nach Operation (Mittelwert 7,7 Jahre).

Die optimalen und statistisch signifikanten Werte zeigt Tab.3. Sie sind anzustreben. Überkorrekturen sind zu vermeiden, denn sie verursachen auch Schmerzen (Tab.4). Für Ausgangswerte und Nachuntersuchungen führten wir dann noch 3 Abweichgrade ein: Leicht pathologisch, schwer und extrem pathologisch (Tab.5).

Tab. 3 Maximale Schmerzfreiheit nach Dreifachosteotomie bei folgenden Winkeln
CE-Winkel 30-35°
VCA-Winkel 30-35°
BLZ-Winkel -5 bis +5°
Migration % 10-15%
Tab. 4 Überkorrektur bei Dreifachosteotomie ab folgenden Winkeln


CE-Winkel > 40°
VCA-Winkel > 40°
BLZ-Winkel < -10°
Migration % < 10%
Tab. 5 Normalwerte und Abweichgrade (Alter > 18 Jahre)
Grade Normal Leicht pathologisch Schwer pathologisch Extrem pathologisch
MP, migration percentage; LCE, lateral CE angle (Wiberg); ACE, anterior CE angle (Lequesne and de Seze); WBZ, weight-bearing zone angle (Bombelli)
LCE ≥ 30 20-29 5-19 < 5
ACE Winkel ≥ 25 20-24 5-19 < 5
WBZ Winkel < 10° 11-15 16-25 > 25
Reimers MP ≤ 15 16-25 26-40 > 40

Der wichtigste Winkel, den wir als erstes bei der Pfannenrotation angehen, ist der Winkel der Belastungszone nach Bombelli et al. (3). Der Autor spricht von weightbearing area= Fläche. Aber wir messen nur die dünne Sklerosierungslinie auf der Kuppe des Pfannendaches, deshalb sollte man besser nur von einer Belastungs-Zone statt einer Fläche sprechen. Wir fanden die höchste Schmerzfreiheit bei einem Winkel der Sklerosierungslinie zwischen – 5 und + 5°. Lingg und v. Torklus haben diesen Winkel schon 1981 untersucht (36) und billigten ihm eine Schwankungsbreite von +/- 9° als normal zu. Eine Grenze sollte man wohl bei +/- 5° ziehen. In der gleichen Ebene wird der CE-Winkel nach Wiberg (37) gemessen. Wir fanden 30 - 35° als Optimum. Von einer erstaunlichen Empfindlichkeit war dann noch der migration Prozentsatz von Reimers, der misst, wie viel Prozent des Hüftkopfdurchmessers seitlich aus dem Pfannendach vorragten. Das Optimum von 87,8% Schmerzfreiheit lag bei einem Überrragen des Hüftkopfes von 10-15% seines Durchmessers. Wenn 15 - 20% vorragten, ging die Schmerzfreiheit sofort auf 55% zurück, aber ebenso, wenn nur 10% und weniger vorragten. Eine zu weite Pfannenschwenkung ist also auch nicht angezeigt. Diese Zahlen sind mit dem 95% confidence interval abgesichert. Die Seitansicht des Hüftgelenkes gibt uns die Faux profil Aufnahme von Lequesne und de Seze (Abb.15). Manche Kollegen meinen mit der vorderen und hinteren Begrenzungslinie des Pfannendaches im ap Bild auszukommen. Hier spielt aber die Anteversion der Pfanne mit hinein. Auch die vordere Überdachung ist bei Hüftdysplasie in zunehmendem Maße verringert, je weiter der Hüftkopf seitlich aus der Pfanne und höher tritt. Eine Aufnahme auch dieser Ebene (des VCA-Winkels oder “anterioren CE Winkel” im Englischen) ist vor der Operation zu empfehlen. Sie wird im Stehen durchgeführt. Als Optimalwinkel wurden auch hier 30 - 35° wie bei dem CE Winkel ermittelt. Der Autor gab 25° an, ebenso auch Wiberg 25° bei dem CE Winkel.

Abb.15
Für die faux-profil Aufnahme muss das Becken 25° rückgedreht stehen und der Röntgenstrahl auf Hüfthöhe gerichtet werden. Das Dreieck aus Kunststoffplatten ist horizontal verschieblich für Aufnahmen beider Seiten, und die Haltestangen sind auch in der Höhe verschieblich.


Einzelne Vorsichtsmaßnahmen. N. peroneus-Schädigungen hatten wir in dem Krankengut von 1994 in 1.8%. In einer späteren Untersuchung von 251 Patienten, die 1999 operiert wurden, fand Katthagen (10) N. Ischiadicusschäden bei dreifacher Beckenosteotomie in 2.1% und bei zusätzlicher Femurosteotomie in 4.8% . Im allgemeinen besserten sich die Ausfälle in der Folgezeit. Als Vorsichtsmaßnahme empfiehlt sich den Nerven bei der Sitzbeinosteotomien von Muskeln bedeckt zu lassen und doppelt gerundete Wundhaken zu benutzen. Bei zusätzlicher Femurosteotomie oder Verkürzungsosteotomien kommt man wohl leicht dazu beim Lagern des Beines etwas daran zu ziehen und dadurch den N. ischiadicus zu schädigen. Darauf ist zu achten.

Bei der Sitzbeinosteotomie sollte man nur die kleinen Außenrotatoren freilegen und nach Sehnendurchtrennung an der Unterseite mit Retraktor unterfahren und nach kranial zurückhalten, dann kommt man nicht in Berührung mit den proximal liegenden Gefäßen und Nerven des M. glutaeus maximus, die de Kleuver et al. (12) schildern.

Bezüglich Gefäßverletzungen bei der Schambeinosteotomie ist zu sagen, dass man ganz medial eingehen sollte, wo der Knochen unter der Haut zu tasten ist. Der pectineus Muskel darf seitlich nicht ganz abgelöst werden. Ihm liegt seitlich die Vena femoralis an, die verletzt werden kann. Auch das haben wir schon erlebt.

Die Osteosynthese des Schambeins haben wir lange Zeit mit Drahtcerclagen vorgenommen, die auf der Knochenoberfläche zu liegen hatten, unter der Muskulatur, Gefäßen und Nerven. Jetzt fixiert Kalchschmidt auch diese Osteotomie mit einer Schraube von der Symphysenseite her (Abb.16), was günstiger ist.

Abb.16
Neue Osteosynthese der Schambeinosteotomie durch eine Schraube von medial.


Den harten hinteren Beckenknochen an der Incisura ischiadica major durchtrennen manche Kollegen noch mit der Giglisäge, weil es beim Meißeln zum Splittern des Knochens kommen kann. Wir verwenden seit längerem die Tuke Säge, die ein elipsenförmiges Sägeblatt hat, nicht ein gerades. Das erleichtert die Durchtrennung und verletzt anliegende Weichteile auch weniger.

Die CT-Untersuchung. Zuletzt sei noch auf Besonderheiten der Torsionsbestimmung durch das CT aufmerksam gemacht, über die wir mit Herrn Skamel aus unserem Röntgeninstitut berichteten. Es wurde schon erwähnt, dass bei verschiedenen Graden der Beckenkippung, die Pfannenanteversion unterschiedlich ist.

Deshalb schlugen Anda und Visser (1,38) vor, das CT in Bauchlage durchzuführen um Einheitlichkeit zu erreichen, Die Füße werden am Fußrücken etwas unterstützt und parallel gelagert. Die Kniegelenke liegen dann, je nach Antetorsion, innen oder außengedreht. Manchmal kompensiert die Tibia diese Torsion allerdings durch Entwicklung einer Gegentorsion. Die Hüftgelenke sollten bei unterschiedlicher Beinlänge auf gleicher Höhe liegen. Auf Einzelheiten des Spiral-Cts sei in unserer erwähnten Veröffentlichung verwiesen. Die Frage ist nun, in welcher Schnitthöhe messen wir die Anteversion der Pfanne. Logischerweise dort, wo das Impingement durch die verringerte Anteversion auftritt. Das ist dort der Fall, wo einerseits der Hüftkopf möglichst eine gute Größe erreicht hat, andererseits aber der vordere Pfannenrand ihn noch in gewisser Länge und congruent umfasst. Weiter kaudal zieht sich der vordere Pfannenrand immer mehr zurück und der Anteversionswinkel wird dann zu hoch gemessen. In (Abb.17-20) ist das für das rechte Hüftgelenk gezeigt. Die Femurtorsion wird dagegen zwischen einer an die Rückseite der Kondylen angelegten Tangente und der Schenkelhalsachse ermittelt, die durch die Mitte des Schenkelhalses auf einem Summationsbild der Schnitte gezogen wird und das Zentrum des Hüftkopfes. Nach Außen oder Innen gedrehte Lagerungen des Kniegelenkes durch die Torsionsanomalien, auch der Tibia, müssen dann noch auf die Sagittale Ebene, am besten die Beckenmittellinie, bezogen werden und bei den Torsionswinkeln hinzugerechnet oder abgezogen werden (26).

Wenn ein Becken wirklich einwandfrei liegt, nicht gedreht, nicht zu sehr gekippt oder aufgerichtet, kann man natürlich an dem Abstand des vorderen von dem hinteren Pfannenrand Rückschlüsse ziehen, am Schenkelhals auch, wenn er in seiner ganzen Länge erscheint und der Trochanter major ganz seitlich steht und auch der Trochanter minor vortritt. Aber nicht immer ist die Lagerung einwandfrei. Und hier kommt es auf Genauigkeit besonders an. Wir sind der Ansicht, dass der immer noch etwas erhöhte Anteil von leichteren postoperativen Hüftbeschwerden durch diese Torsionsanomalien zustande kommt, denn die Gelenkwinkel sind in großem Maße jetzt normal, wenn nicht Extremverhältnisse vorliegen. Deshalb sollte auch für die Torsionsbestimmungen große Sorgfalt in Zukunft aufgewandt werden.

Wir hoffen, dass sich für unsere Patienten durch diese Hinweise die Gesamtergebnisse noch weiter verbessern lassen.

Abb.17
Messung der Anteversion im CT-Bild. Die sagittale Ebene lässt sich am besten an einer Mittellinie zwischen beiden Beckenhälften herstellen.


Abb. 18
Hüftkopf rechts in guter Größe, die vordere Pfannenwand umfasst ihn noch in genügender Länge und Kongruenz. Hier Messung.


Abb19
Etwas tiefer (caudal), vorderer Pfannenanteil rechts schon kürzer, links dagegen auf der Höhe zur Messung.


Abb.20
Rechts, auf noch tieferem CD-Schnitt, ist der Hüftkopf vorn kaum mehr umfasst, links auch schon weniger. Hier darf nicht mehr gemessen werden.



Literatur

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